Grundfütterung beim Pferd

In der Pferdehaltung ist die richtige Fütterung grundlegend für die Gesundheit. Viele Erkrankungen beim Pferd entstehen durch falsche oder zu üppige Fütterung. Diese Einführung zur Grundfütterung erklärt verständlich die Besonderheiten des Pferde-Verdauungssystems, warum oft der Energiebedarf überschätzt und dadurch überversorgt (überfüttert) wird, und welche typischen Krankheiten daraus resultieren können. Abschließend fassen wir die wichtigsten Punkte in 10 goldenen Regeln der Pferdefütterung zusammen.

Das besondere Verdauungssystem des Pferdes

Pferde sind von Natur aus Dauerfresser und Steppentiere. Ihr Verdauungsapparat ist darauf ausgelegt, fast ständig kleine Mengen energiearmer Nahrung aufzunehmen. Wildpferde verbringen etwa 16 bis 18 Stunden am Tag mit Fressen von Gräsern. Der Pferdemagen ist relativ klein – nur ca. 8 bis 15 Liter Fassungsvermögen – weshalb Pferde nur kleine Futtermengen auf einmal effizient verdauen können. Große Portionen auf einmal würden den Magen überladen; zudem können Pferde im Gegensatz zu vielen anderen Tieren nicht erbrechen, überschüssiges Gas oder Futter kann also nicht entweichen. Dies macht sie anfällig für Verdauungsstörungen, wenn sie zu viel auf einmal fressen.

Im Magen wird kontinuierlich Magensäure produziert. Daher ist es wichtig, dass das Pferd regelmäßig etwas frisst – lange Fresspausen führen zu überschüssiger Säure im leeren Magen, was schmerzhafte Magengeschwüre begünstigen kann. Wenn Pferde hingegen ständig kleine Mengen faserreicher Nahrung kauen, produzieren sie viel Speichel als natürlichen Säurepuffer und halten den Magen-pH-Wert im Gleichgewicht.

Nach dem Magen gelangt der Futterbrei in den Dünndarm, wo leicht verdauliche Nährstoffe wie Zucker, Stärke, Eiweiß und Fette enzymatisch aufgeschlossen und aufgenommen werden. Doch ein Großteil der Pferdenahrung – vor allem Rohfaser aus Gras, Heu und Stroh – wird erst im Dickdarmverdaut. Pferde sind Enddarmfermentierer: In Blinddarm und Grimmdarm leben spezialisierte Mikroorganismen, die die faserreiche Pflanzenkost vergären. Dabei entstehen für das Pferd wertvolle Energiequellen (z.B. flüchtige Fettsäuren) und sogar Vitamine. Diese Darmflora ist allerdings empfindlich. Die Mikroben müssen ständig mit Rohfaser „gefüttert“ werden, sonst sterben sie ab.Abrupte Futterumstellungen oder große Mengen leicht verdaulicher Kohlenhydrate (z.B. Getreidestärke) können das bakterielle Gleichgewicht stören. Sterben viele Dickdarmbakterien auf einmal, setzen sie Giftstoffe frei, die über die Darmwand in die Blutbahn gelangen – dies kann zu schweren Stoffwechselstörungen wie Hufrehe führen. Deshalb sind ausreichend Raufutter und langsame Futteranpassungen für die Gesunderhaltung des Verdauungstrakts unerlässlich.

Überschätzter Energiebedarf führt zu Überfütterung

Moderne Freizeitpferde werden heute oft zu reichhaltig gefüttert. Viele Halter überschätzen den Energiebedarf ihres Pferdes und geben mehr Kraftfutter oder kalorienreiches Futter, als nötig wäre. In der Natur legen Pferde weite Wege auf karger Nahrung zurück; unsere Hauspferde haben hingegen durch Zucht und Haltung häufig ein geringeres Energiebedürfnis, insbesondere wenn sie nur leichte Arbeit leisten.

Tatsächlich zählen viele Freizeitpferde zu den sogenannten „leichtfuttrigen“ Pferden (Easy Keeper). Ein Pferd im Erhaltungsstoffwechsel – also ohne nennenswerte Arbeit – hat einen relativ niedrigen Kalorienbedarf, der meist durch gutes Heu vollständig gedeckt werden kann. Kraftfutter (Getreide, Müsli etc.) ist für solche Pferde oft gar nicht erforderlich. Trotzdem erhalten viele Pferde noch aus Gewohnheit tägliche Getreide-Rationen, die ursprünglich für harte Arbeit oder Sport gedacht sind. Das Resultat ist eine kontinuierliche Energieüberversorgung.

Studien schätzen, dass in westlichen Ländern zwischen 25% und 50% der Freizeitpferde übergewichtig oder fettleibig sind. Häufig bemerken Besitzer gar nicht, dass ihr Pferd zu dick ist, oder verkennen Übergewicht als „wohlgenährt“. Die häufigste Ursache für Fettleibigkeit beim Pferd ist nach wie vor Überfütterung in Kombination mit zu wenig Bewegung. Ein Überschuss an Energie (Kalorien), der nicht durch Arbeit verbraucht wird, wird in Form von Fettreserven abgelagert – das Pferd nimmt an Gewicht zu. Einige robuste Rassen (etwa Ponys, Isländer oder Kaltblüter) haben sich evolutionsbedingt einen sehr sparsamen Stoffwechsel angeeignet; sie benötigen besonders wenig Futter und verfetten in unserer Haltung daher schnell.

Ein Problem ist auch, dass unsere Weiden und Heusorten heute viel energiereicher sind als das ursprüngliche Steppengras der Wildpferde. Pferde können auf saftigen Wiesen in kurzer Zeit mehr aufnehmen, als ihr Erhaltungsbedarf erfordert. Bekommt ein Pferd Heu zur freien Verfügung (ad libitum), kann es damit bis zu 180% seines Tages-Energiebedarfs aufnehmen – ein drastischer Kalorienüberschuss. Diese dauernde Überversorgung mit Energie führt unweigerlich zu Übergewicht und kann stoffwechselbedingte Erkrankungen nach sich ziehen. Deshalb muss man bei leichtfuttrigen Pferden einen Mittelweg finden: genug Raufutter für Verdauung und Psyche, aber nicht unbegrenzt viel, um eine „Verfettung“ zu vermeiden.

Neben überschüssiger Energie bringt auch ein Zuviel an Eiweiß keine Vorteile – im Gegenteil: Überschüssiges Eiweiß belastet Leber und Nieren und kann zu Durchfall führen. Der Eiweißbedarf eines ausgewachsenen Pferdes wird durch Heu in der Regel bereits gedeckt. Nur Tiere mit besonderem Bedarf (Sportpferde, Zuchtstuten, Jungpferde) profitieren von extra Protein; alle anderen sollten nicht überversorgt werden. Eine niederländische Untersuchung zeigte zudem, dass viele Pferde nicht nur zu viel Energie, sondern auch deutlich zu viel Eiweiß und bestimmte Mikronährstoffe erhalten. Eine solche übermäßige Fütterung belastet den Pferdeorganismus und ist sogar aus Umweltsicht problematisch (weil überschüssige Nährstoffe ungenutzt wieder ausgeschieden werden).

Fütterungsbedingte Krankheiten bei Überversorgung

Eine dauerhaft falsche Fütterung – insbesondere zu viel Energie und Stärke – kann diverse Gesundheitsprobleme verursachen. Hier einige wichtige Erkrankungen, die durch Überfütterung oder häufige Fütterungsfehler begünstigt werden:

Die 10 goldenen Regeln der Pferdefütterung

Abschließend folgen zehn Grundregeln, die jeder Pferdehalter bei der Fütterung beherzigen sollte. Sie fassen die wichtigsten Punkte der Grundfütterung noch einmal zusammen:

  1. Raufutter vor Kraftfutter: Die Basis jeder Pferderation ist qualitativ hochwertiges Raufutter (Heu, Gras, ggf. Stroh). Pferde brauchen pro Tag mindestens etwa 1,5 kg Heu pro 100 kg Körpergewicht – viele Experten empfehlen eher ~2 kg pro 100 kg (2% des Körpergewichts), je nach Pferdetyp. Füttere immer zuerst das Heu, dann erst eventuelles Kraftfutter, damit der Magen schon etwas gefüllt ist und das Pferd langsamer frisst.
  2. Mehrere kleine Mahlzeiten: Aufgrund des kleinen Magens sind kleine Futtermengen über den Tag verteilt bekömmlicher als wenige große Portionen. Ideal sind mindestens drei Fütterungszeiten pro Tag. Pro Mahlzeit sollte ein Großpferd höchstens ca. 1,5–2 kg Kraftfutter bekommen, da sonst der Magen überfüllt wird.
  3. Futter dem Bedarf anpassen: Orientiere die Futtermenge am individuellen Energiebedarfdes Pferdes. Ein Freizeitpferd mit leichter Arbeit benötigt deutlich weniger Futter als ein Sportpferd. Überfüttere nicht aus gut gemeinter Fürsorge – Übergewicht schadet der Gesundheit. Halte Kraftfuttergaben so gering wie möglich, wenn das Pferd keine hohe Leistung bringen muss.
  4. Körperzustand überwachen: Prüfe regelmäßig den Body Condition Score deines Pferdes, also den „Fütterungszustand“. Bei einem gesunden Pferd sollten die Rippen mit leichtem Druck fühlbar (aber nicht deutlich sichtbar) sein. Setze im Zweifel eher auf etwas knappere Fütterung statt „für alle Fälle“ zu viel – schätzungsweise 20–50% aller Freizeitpferde sind übergewichtig. Vermeide starke Gewichtsschwankungen und passe die Ration an, wenn dein Pferd merklich zu- oder abnimmt.
  5. Keine abrupten Futterwechsel: Stelle die Fütterung immer schrittweise um, egal ob es um Kraftfutter, Heu oder Weidegang geht. Gib dem Darm mindestens 1–2 Wochen Zeit, sich an neues Futter anzupassen. Zum Beispiel beim Anweiden im Frühjahr: langsam die Weidezeit steigern, damit sich die Darmflora an das frische Gras gewöhnt. Plötzliche Futterwechsel können Koliken oder Hufrehe auslösen. 
  6. Lange Fresszeiten ermöglichen: Sorge dafür, dass dein Pferd möglichst lange am Tag fressen kann. Mehrere Stunden Fresspause am Stück entsprechen nicht der natürlichen Pferdehaltung und können zu Verdauungsproblemen führen. Ideal sind mindestens ~12 Stunden Fresszeit pro Tag. Verwende ggf. engmaschige Heunetze oder andere Tricks, um die Fressdauer zu verlängern. So beugst du auch Langeweile und Unarten wie Koppen oder Weben vor.
  7. Immer frisches Wasser anbieten: Ein ausgewachsenes Pferd benötigt etwa 30–60 Liter Wasser am Tag, je nach Temperatur und Arbeit. Stelle sicher, dass jederzeit sauberes, nicht eiskaltes Trinkwasser verfügbar ist. Ausreichendes Trinken ist essenziell für Verdauung und Stoffwechsel – zu geringe Wasseraufnahme kann fatale Folgen haben, z.B. Koliken durch Austrocknung des Darminhalts.
  8. Auf Futterqualität achten: Füttere nur einwandfreies, geeignetes Pferdefutter. Schlechtes oder ungeeignetes Futter kann ernsthafte Probleme verursachen. Vermeide insbesondere verschimmeltes oder verstaubtes Heu und verdorbene Futtermittel – solche Verunreinigungen können Koliken, Magen-Darm-Entzündungen, Hufrehe oder sogar Allergien auslösen. Greife auch nicht zu Futter, das nicht für Pferde gedacht ist (z.B. Mastfutter für Rinder oder Schweine). Pferde haben andere Nährstoffbedürfnisse und Verträglichkeiten als andere Tierarten; spezielles Mastfutter kann Zusätze (wie Wachstumsförderer) enthalten, welche Pferden schaden.
  9. Eiweiß in Maßen füttern: Ein Zuviel an Protein im Futter ist unnötig und kann sogar schaden. Meist deckt gutes Heu den Eiweißbedarf eines erwachsenen Pferdes bereits völlig ab.Übermäßige Eiweißgaben belasten jedoch die Entgiftungsorgane (Leber, Nieren) und können zu Stoffwechselproblemen oder Durchfall führen. Eiweißreiche Futtermittel (z.B. Luzerne, Soja) also nur gezielt und maßvoll einsetzen – hauptsächlich bei Zuchtstuten, Fohlen im Wachstum oder Sportpferden mit erhöhtem Bedarf.
  10. Regelmäßigkeit und Ruhe: Füttere jeden Tag möglichst zu ähnlichen Zeiten, denn Pferde sind Gewohnheitstiere. Studien zeigen, dass gleichmäßige, vorhersehbare Fütterungszeiten den Stress beim Fressen verringern. Vermeide Hektik im Stall während der Fütterung – rangniedrige Pferde sollten in Ruhe fressen können, damit sie genug abbekommen. Und plane nach einer Kraftfutter-Mahlzeit eine Pause ein: Direkt nach dem Fressen schwer zu arbeiten belastet die Verdauung und kann zu Koliken führen.

Damit hat man einen laienfreundlichen, aber fundierten Überblick über die Grundfütterung beim Pferd. Wenn diese Regeln beachtet werden und man sein Pferd aufmerksam beobachtet, ist bereits viel für die Gesundheit und Zufriedenheit des Vierbeiners gewonnen.

⭐ Die 10 goldenen Regeln der Pferdefütterung

 1. Heu zuerst:
Raufutter wie Heu ist die Basis – immer vor Kraftfutter füttern.

 2. Kleine Portionen:
Mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag sind besser als wenige große.

 3. Futter anpassen:
Nur so viel Energie füttern, wie das Pferd wirklich braucht.

 4. Gewicht im Blick:
Regelmäßig kontrollieren, ob das Pferd zu- oder abnimmt.

 5. Langsam umstellen:
Futterwechsel immer über mindestens 1–2 Wochen verteilen.

 6. Fresszeit verlängern:
Lange Fresszeiten helfen gegen Verdauungsprobleme und Langeweile.

 7. Frisches Wasser:
Jederzeit sauberes Wasser zur freien Verfügung anbieten.

 8. Gutes Futter:
Nur hygienisch einwandfreies, pferdegerechtes Futter verwenden.

 9. Eiweiß nicht übertreiben:
Meist reicht das Eiweiß im Heu – zu viel belastet den Stoffwechsel.

 10. Feste Zeiten & Ruhe:
Tägliche Routine und stressfreie Fütterung unterstützen das Wohlbefinden.